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Steuerparadies

Als Steuerparadies oder Steueroase (englisch tax haven, italienisch Paradiso fiscale) werden Staaten oder Gebiete bezeichnet, die keine oder besonders niedrige Steuern auf Einkommen oder Vermögen erheben. Sie sind dadurch als Wohnsitz für Personen bzw. als Standort für Unternehmen steuerlich attraktiv. Im Gegensatz zu Niedrigsteuerländern werden mit diesem politischen Schlagwort vor allem Staaten bezeichnet, denen vorgeworfen wird, Steuerflucht als aktives Geschäftsmodell zu betreiben. Amtlich wird die Bezeichnung „nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet“ verwendet (vgl. § 2 der Steueroasen-Abwehrverordnung).

Zum Teil sind sie gleichzeitig auch Offshore-Finanzplätze, d. h. sie gewähren ein hohes Maß an Vertraulichkeit und Geheimhaltung. Sie können dann neben legaler Steuervermeidung auch für illegale Geschäftspraktiken wie Geldwäsche und Steuerhinterziehung genutzt werden.

Es gibt viele Möglichkeiten, die eigene Steuerlast mittels Nutzung von Steueroasen zu verringern. Allen gemeinsam ist das Ziel, Einkommen, das in Hochsteuerländern erzielt wird, nicht dort versteuern zu müssen.

Nach Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegen 11,3 Billionen US-Dollar in Steueroasen. Das Tax Justice Network geht von bis zu 32 Billionen US-Dollar aus.

Charakteristika

Steueroasen zeichnen sich zunächst vor allem durch die sehr niedrige oder gar nicht vorhandene Steuerbelastung für Rechtspersonen aus (Niedrigsteuerland). Gründe hierfür können sein, dass die betreffenden Staaten oder Gebiete

  1. einen sehr kleinen Staatshaushalt haben,
  2. ausreichend hohe Einnahmen aus anderen Quellen (etwa Rohstoffe) haben und/oder
  3. auf diese Weise ausländische Direktinvestitionen anlocken wollen.

Durch die Verlagerung von Vermögen, Wohnsitz oder Betriebsstätte an diese Standorte können Personen dadurch ihre Steuerlast in anderen Staaten verringern (Steuerflucht).

Wichtig für eine Steueroase sind zudem Rechtssicherheit und die politische Stabilität, durch die die Sicherheit des angelegten Kapitals gewährleistet wird, wobei Good Governance und niedrige Steuersätze die Wahrscheinlichkeit von zuströmendem Geld maßgeblich bestimmt. Ein Bankgeheimnis kann Bestandteil der Rechtslage sein.

Oft können in Steueroasen aufgrund liberaler Formvorschriften für Rechtsgeschäfte Kapital und Unternehmensanteile einfach und diskret verschoben werden. Steueroasen sind in den meisten Fällen kleine Länder, die im Verhältnis zu den dort stattfindenden finanziellen Transaktionen und dem vorhandenen Kapital eine geringe Wirtschaftsaktivität aufweisen und über eine wenig regulierte Wirtschaftspolitik verfügen.

In diesen Ländern gibt es – oft nur auf Überseegeschäfte spezialisierte – Rechtsdienstleister, die Firmen und Privaten systematisch helfen, ihr Vermögen nicht in ihrem Heimatland zu veranlagen oder die Herkunft zu verschleiern. Es sind Fälle bekannt, in denen solche Rechtsdienstleister (Steuerberater, Rechtsanwälte) dabei geholfen haben (z. B. durch Re-Invoicing, Wohnsitzverschleierung, Anonymisierung, Briefkastenfirmen und Vintage Companies oder auch durch Rückdatieren von Dokumenten) Steuern zu hinterziehen oder Schwarzgeld bzw. Schmiergeld zu verstecken. Gemäß internationalen Vorschlägen sollen effektive Formvorschriften zur Nachvollziehbarkeitsmachung der Transaktionen verbunden mit der Anzeigepflicht von Steuersparmodellen diese Steuerschlupflöcher schließen. In Steueroasen werden Transparenzversprechen jedoch unterlaufen, bestehende internationale Kontrollsysteme umgangen beziehungsweise sogar die Finanzdienstleister oder Banken selbst als Kontroll-, Dokumentations- oder Registerorgane eingesetzt. Bankorgane sind dann auch in vielen Fällen für Offshore-Firmen zeichnungsberechtigt, damit die Anleger anonym bleiben und nicht in allfälligen Registern namentlich genannt werden. Mangelnde nationale Umsetzung macht viele am Papier erfüllte Verträge wertlos, weil zum Beispiel Register nicht aktuell geführt werden, Daten nicht erfasst werden oder bestehende Formvorschriften nicht zwingend sind.

Problematik von Steueroasen

Kontrovers wird bei Steueroasen gesehen, dass sie größere Staaten in einen Wettbewerb um niedrige Steuern verwickeln. Staaten versuchen ein komplexes Gemeinwesen aufrechtzuerhalten, sowie eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und damit Maßnahmen zu treffen, die für ein reibungsloses Funktionieren des Wirtschaftslebens und damit der Weltwirtschaft unverzichtbar sind. Die entgangenen Steuereinnahmen der USA werden auf etwa 70 Milliarden Dollar geschätzt. Gemäß dem amerikanischen Ökonomen und Offshore-Experten James Henry beträgt die Größe des in Steueroasen gehaltenen Vermögens weltweit bis zu 32 Billionen Dollar.

Privatpersonen

Eine Studie der globalisierungskritischen NGO Tax Justice Network von 2012 zeigt, dass weltweit vermögende Personen einen großen Teil ihres Vermögens in Steueroasen unterbringen. Eine konservative Schätzung geht demnach davon aus, dass 21 Billionen Dollar in Steueroasen untergebracht sind, 9,8 Billionen allein von den weltweit Top 100.000 Vermögenden. In der Folge führe dies gegenüber der zur Besteuerung herangezogene Vermögen zu einer massiven Unterbewertung der Vermögenswerte in den jeweiligen Ländern, Die NGO Tax Justice Network schätzt die durch Offshore-Finanzplätze entgangenen Steuereinnahmen von Privatpersonen auf weltweit etwa 255 Milliarden Dollar pro Jahr.

In einer Veröffentlichung des Internationalen Währungsfonds fasste Nicholas Shaxson 2019 verschiedene Untersuchungen zusammen. So bewahren je nach Schätzung Einzelpersonen in Steueroasen 8,7 Billionen bis 36 Billionen US-Dollar auf. Die weltweiten Einkommensteuerverluste belaufen sich auf rund 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Unternehmen

Laut Analysen sollen 90 Prozent der 200 größten Unternehmen Ableger in Steueroasen halten. Laut weiteren Schätzungen liegen rund acht Prozent des weltweiten Vermögens, rund 5,9 Billionen Euro, in Steueroasen, wobei davon 3/4 nicht versteuert sein sollen. Steueroasen kosten Regierungen weltweit je nach Schätzung insgesamt zwischen 500 und 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr an verlorenen Körperschaftsteuereinnahmen.

Volkswirtschaftliche Folgen

Da die Hauptnutzer von Steueroasen große Finanzinstitute und andere multinationale Unternehmen sind, stellt das System die Wettbewerbsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen in Frage und fördert die Monopolisierung.

Kritiker führen an, dass dadurch ein unfairer Steuerwettbewerb ausgelöst würde. Der Vorstand der österreichischen Finanzmarktaufsicht Helmut Ettl kritisiert zudem die Lobbyarbeit gegen Maßnahmen zur Bekämpfung von Steueroasen bzw. Geldwäsche.

Kosten der Steuervermeidung
Durch die Steuervermeidung deutscher Unternehmen entgehen dem Fiskus nach Berechnungen des Ifo Institut für Wirtschaftsforschung jedes Jahr Milliardensummen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte unter Berufung auf die Zahlen berichtet, allein die 333 größten deutschen multinationalen Unternehmen verursachten durch Steuertricks einen jährlichen Schaden von 1,6 Milliarden Euro. Beziehe man zusätzlich kleinere Firmen mit Auslandsgeschäft sowie deutsche Tochtergesellschaften ausländischer multinationaler Unternehmen ein, ergebe sich demnach ein Steuerverlust von 5,7 Milliarden Euro pro Jahr. Allerdings bedeuten Gewinne in Steueroasen den Ökonomen zufolge nicht automatisch auch Steuervermeidung. Vielmehr ließen sich 62 Prozent der Gewinne in Steueroasen auf realwirtschaftliche Aktivitäten zurückführen. 38 Prozent seien das Resultat von Gewinnverlagerung zur Vermeidung von Steuern.

Weblinks

Quellen